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Nachhaltige Architektur

Das R9-System und die Vorteile für Unternehmen

Nachhaltigkeit

Autor(en)

Nikolai Schulte

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Management Team

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Nachhaltige Architektur: Re-Use als Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen

Nachhaltige Architektur ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Denn während sich die Baubranche traditionell auf Recycling konzentriert, bietet die Re-Use-Strategie – die direkte Wiederverwendung von Bauteilen und Gebäuden – deutlich größere Potenziale für Kosteneinsparungen und CO₂-Reduktion. Für Bauherren eröffnen sich damit neue Möglichkeiten, Projekte nicht nur nachhaltiger, sondern auch profitabler zu gestalten.

Die Klimabilanz der Baubranche: Fakten, die zählen

Quelle: Monitoring-Bericht Kreislaufwirtschaft Bau, 2023

Die Baubranche trägt eine erhebliche Verantwortung für den Klimawandel. 37-40% der globalenCO₂-Emissionen entstehen im Gebäude- und Bausektor, wobei ein Viertel davon als "Embodied Carbon" bereits in den Materialien gespeichert ist. Diese Zahlen verdeutlichen, dass nachhaltiges Bauen nicht nur eine ethische, sondern auch eine wirtschaftliche Verpflichtung darstellt.

Die Aufschlüsselung der Emissionen zeigt: Während der Gebäudebetrieb den größten Anteil ausmacht, liegt en weiteres, enormes Potenzial in der Optimierung der Materialherstellung und -verwendung. Hier setzt die Re-Use-Strategie an und bietet Bauherren konkrete Möglichkeiten zur CO₂-Reduktion.

Das R9-System: Hierarchie der Nachhaltigkeit

Die Circular Economy im Bauwesen folgt einer klaren Hierarchie von Strategien, die als R9-System bekannt ist. Diese Systematik hilft Bauherren und Investoren, die effektivsten Maßnahmen zu identifizieren und zu priorisieren.

Die oberste Priorität haben die "Refuse-Rethink-Reduce"-Strategien: Verzicht auf unnötige Baumaßnahmen, Überdenken von Nutzungskonzepten und Reduzierung des Materialbedarfs. Diese Ansätze bieten die größten Einsparpotenziale sowohl bei Kosten als auch bei CO₂-Emissionen.

Re-Use steht an vierter Stelle der Hierarchie und bezeichnet die direkte Wiederverwendung von Bauteilen und ganzen Gebäuden. Der entscheidende Vorteil: Re-Use erhält den ursprünglichen Material- und Energieaufwand der Erstherstellung, während Recycling zusätzliche Energie benötigt und oft zu Qualitätsverlusten führt.

Re-Use versus Recycling: Der wirtschaftliche Unterschied

Während Deutschland bereits über 90% der mineralischen Bauabfälle recycelt, liegt die wahre Innovation in der direkten Wiederverwendung. Re-Use-Projekte können bis zu 50-70% der CO₂-Emissionen gegenüber Neubauten einsparen.

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Dimensionen: Das Urban Mining-Projekt in Heidelberg, Europas größtes seiner Art, demonstriert, wie ausgediente Gebäude als Rohstoffquellen genutzt werden können. Baumaterialien werden nicht mehr als Abfall, sondern als wertvolle Sekundärrohstoffe betrachtet.

Zertifizierungssysteme: Chancen und Lücken

Die etablierten Zertifizierungssysteme DGNB, LEED und Cradle to Cradle bewerten verschiedene Aspekte nachhaltiger Architektur. Während DGNB und LEED primär Neubau-Prozesse adressieren, liegt bei allen Systemen der Fokus noch zu wenig auf höherwertigen R-Strategien und Bestandsgebäuden.

Cradle to Cradle-zertifizierte Produkte werden in LEED und DGNB positiv bewertet und können zusätzliche Punkte bringen. Für Bauherren bedeutet dies: Die Investition in nachhaltige Materialien zahlt sich nicht nur ökologisch, sondern auch bei der Gebäudezertifizierung aus.

Bestandsgebäude als Goldgrube

Re-Use: Beim Umbau des Silberpalais in Duisburg konnten Deckenpanele und Trennwände wiederverwendet werden.

"The greenest building is the one that already exists" – dieser Grundsatz gewinnt in der Finanzierungspraxis zunehmend an Bedeutung. Sanierungen verursachen im Durchschnitt nur 50% der CO₂-Emissionen eines Neubaus und bieten damit attraktive Möglichkeiten für nachhaltige Investments.

Urban Mining erschließt Gebäude als Rohstofflager der Zukunft. Durch systematische Erfassung und Dokumentation von Bauteilen entstehen digitale Materialpässe, die eine effiziente Wiederverwendung ermöglichen. Bauteilbörsen in Berlin-Brandenburg, Bremen, Hannover und anderen Städten zeigen bereits heute, wie dieser Markt funktioniert.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Für Bauherren, Banken und Geldinstitute ergeben sichkonkrete Handlungsfelder:

In der Projektentwicklung:

  • Frühzeitige Bestandserfassung und Re-Use-Checks in Wettbewerb und Planung
  • Entwicklung von Urban-Mining-Katastern für dieProjektplanung
  • Modulares, rückbaubares Detailieren (Design for Disassembly) für zukünftige Flexibilität

In der Finanzierung:

  • Berücksichtigung von CO₂-Kosten in der Projektbewertung
  • Bevorzugung von Sanierungsprojekten gegenüber Neubauten
  • Integration von Re-Use-Quoten in Finanzierungskonditionen

In der Umsetzung:

  • Nutzung von Bauteilbörsen und digitalen Materialpässen
  • Kooperation mit spezialisierten Re-Use-Experten
  • Dokumentation und Bilanzierung der CO₂-Einsparungen

Ausblick: Re-Use als neuer Standard

Die Transformation zur kreislaufgerechten Bauwirtschaft ist nicht nur ökologisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Mit unserem Expertenteam für Re-Use-Checks unterstützen wir Bauherren dabei, konkrete Potenziale zu identifizieren und umzusetzen. Unser Fokus liegt auf kostenneutralen Lösungen, die gleichzeitig CO₂-Emissionen reduzieren und Identität schaffen – für Gebäude mit eigener Geschichte statt Architektur "von der Stange".

Nachhaltige Architektur durch Re-Use ist der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Baubranche. Die Weichen sind gestellt – nutzen Sie die Chancen der Kreislaufwirtschaft für Ihre Projekte.

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